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Keimfrei verpackt - Produkte & Methoden

 

Lebens- und Hautpflegemittel haben eines gemeinsam: Es sind verderbliche Waren. Daher muss bei Herstellung, Lagerung und Verwendung Keimfreiheit herrschen. Eine Möglichkeit, Keimfreiheit zu erreichen, besteht im Einsatz von Konservierungsstoffen alias Konservierungsmitteln.

 

Wie aktiv Keime sein können, lässt sich bei der Herstellung eines Hefeteigs beobachten, der nach einer halben Stunde sein Volumen verdoppelt hat. Die Verwandlung von Wein in Essig durch Acetobacter ist ein anderes Beispiel. Gefährlich wird es, wenn Aspergillus (Schimmel), Pseudomonas (Wasserkeime) oder Clostridium botulinum (verdorbenes Fleisch) am Werke sind. Sie scheiden giftige Stoffwechselprodukte aus oder sind an Infektionen beteiligt.
Keime leben von organischem Material - vorzugsweise Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen - und benötigen zu deren Verarbeitung stets das Medium Wasser. Daher finden sie in Emulsionen (Cremes, Lotionen) nahezu ideale Bedingungen, um sich auszubreiten, während sie in wasserfreier Umgebung wie ätherischen und fetten Ölen, Fetten, Oleogelen, Stiften und Pudern nicht lebensfähig sind.
Um Emulsionen zu schützen, werden in meist geringer Konzentration Konservierungsstoffe verwendet, die wesentliche Strukturen der Keime angreifen und zerstören - zum Beispiel indem sie ihre Zellmembranen perforieren, schwefelhaltige Strukturelemente von Proteinen blockieren oder Enzyme inaktivieren, die für das Wachstum benötigt werden. Konservierungsstoffe funktionieren daher nicht anders als Antibiotika bei Humaninfektionen.

Unerwünschte Nebenwirkungen

Dementsprechend kann es bei der Applikation von Präparaten mit Konservierungsstoffen wie bei Antibiotika zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen.1 Denn es finden naturgemäß Wechselwirkungen in der Haut statt. Sie äußern sich durch Sensibilisierungen, Allergien und gegebenenfalls auch Irritationen. Der Gesetzgeber hat diesen Umständen Rechnung getragen und ein Zulassungsverfahren für Konservierungsstoffe eingeführt. Die zugelassenen Konservierungsstoffe sind in einem Anhang der Kosmetikverordnung (KVO) gelistet.2
Bei Risiken, die erst nach der Zulassung offenkundig werden, kann es passieren, dass Konservierungsstoffe wie im Fall des Formaldehyds wieder verboten werden oder ihre Verwendung beschränkt wird - wie kürzlich bei Triclosan und (Chlor-)Methylisothiazolinon, die nur noch in Präparaten verwendet werden dürfen, die wie Reinigungsmittel sofort nach Gebrauch wieder von der Haut entfernt werden.3
Die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen wächst, wenn die Haut einen hohen transepidermalen Wasserverlust (TEWL) aufweist, d. h. die Barriere nicht intakt oder durch eine Neurodermitis oder andere Dermatosen geschädigt ist. Entsprechend tiefer können Konservierungsstoffe in die Haut eindringen. Auch die sogenannte sensible Haut hat mit Konservierungsstoffen ihre Probleme. Darüber hinaus schädigen Konservierungsstoffe die natürliche Mikroflora (Mikrobiom) der Haut. Das Mikrobiom besteht aus charakteristischen Keimpopulationen auf der Hautoberfläche, die unter anderem den Säuremantel, d. h. den für den Erwachsenen typischen pH von 4,5-5,5 einstellen.
Wie bei Antibiotika werden mit Präparaten, die Konservierungsstoffe enthalten, resistente Keime gezüchtet. Diese können sich kontraproduktiv auf die natürliche Symbiose zwischen Haut und Keimen auswirken - ein vergleichbarer Effekt wie die Störung der Darmflora durch den häufigen und unbedachten Einsatz von Antibiotika.
Bei einigen chlorphenolischen Konservierungsstoffen wird darüber hinaus vermutet, dass sie Eigenschaften von endokrinen Disruptoren besitzen.

Unkonservierte Produkte

Die einfachste Möglichkeit, die Nebenwirkungen von Konservierungsstoffen auszuschließen, ist der Verzicht. Dies kann durch die Zusammensetzung oder technisch realisiert werden durch:

  • Wasserfreie Produkte (siehe oben)
  • Sterilabfüllung in Ampullen. Sie hat allerdings Grenzen: Nach dem Aufbrechen der Ampullen ist die Haltbarkeit im Kühlschrank auf wenige Tage begrenzt. Die Abfüllungen sind zudem auf sterilisierbare Lösungen beschränkt. Und viele Naturstoffe verlieren bei Sterilisationstemperaturen von bis zu 120 °C ihre Wirksamkeit.
  • Sterilabfüllung wässriger, relativ niedrigkonsistenter Rezepturen in Druckgasflaschen - z. B. unter Beaufschlagung der Präparate mit Kohlendioxid als Treibgas. Die Produkte lassen sich als Schäume entnehmen.
  • Hin und wieder gibt es Produkte, die Konservierungsstoffe enthalten, aber als unkonserviert deklariert werden. In diesen Fällen werden Extrakte mit Konservierungsstoffen eingesetzt, deren Aktivität sich auf das ganze Produkt auswirkt ("Carry-over"-Konservierung). In der INCI findet man nur den botanischen Namen der Extrakte. Die Produkte sind naturgemäß nicht KVO-konform.

Aber kann man wasserhaltige Produkte gegen Keime schützen, also konservieren, ohne Konservierungsstoffe einzusetzen? Das ist in der Tat möglich - wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • Verwendung von Naturstoffen, die analog der Konservierungsstoffe der KVO konservierend wirken. Es handelt sich dabei oft um Extrakt-Inhaltsstoffe, die nicht quantifiziert und deklariert werden müssen. Beispiele sind Rosmarinsäure, Salicylsäure, Phenylethanol, diverse Polyphenole, Farnesol und ätherische Öle. Aus allergologischer Sicht ist dies allerdings keine wirkliche Lösung, da sich diese Stoffe hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen nur graduell von denen der KVO unterscheiden.
  • Verwendung hypertoner Wasserphasen in Emulsionen. Dies funktioniert wie das Einlegen von Lebensmitteln in konzentrierte Salzlake (Fisch). Nur verwendet man zu diesem Zweck nicht Salz, sondern andere wasserlösliche Stoffe mit niedrigem Molekulargewicht. Produkte mit dieser Konservierung sind nebenwirkungsfrei - außer die Haut ist nicht in der Lage, den damit verbundenen hohen osmotischen Druck der Präparate auszugleichen. So kann bei offenen Wunden oder zuweilen bei Rosacea-anfälliger Haut ein temporäres, aber harmloses Brennen auftreten.
  • Eine weitere wirksame Konservierung besteht darin, physiologisch gut verträgliche Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen zu verwenden. Hefen sterben z. B. ab, wenn der von ihnen produzierte Alkohol eine gewisse Konzentration erreicht. Alkohol ist auch bei praktisch allen anderen Keimen wirksam. Alternativ lassen sich Substanzen verwenden, die alkoholähnliche Strukturelemente besitzen. Dazu gehören Glykole,4 Glycerin und Monosaccharide wie das Sorbitol. Unverträglichkeiten sind nahezu ausgeschlossen. Ein weiterer Vorteil ist ihre Multifunktionalität, da sie auch die Hautfeuchte erhöhen. Ähnliche Eigenschaften haben einige Mono-Diglyceride.

Mikrobiologische Produktsicherheit

Die Abwesenheit von Konservierungsstoffen des Anhangs der KVO hat keinen Einfluss auf Mindesthaltbarkeit und Verwendungsdauer nach dem Öffnen der Präparate. Denn für alle Kosmetika ist ein Konservierungsbelastungstest (KMBT) obligatorisch, in dem eine gezielte Kontamination des Füllgutes durch ausgewählte Keime stattfindet und die Abnahme der Keimzahlen in definierten Zeitintervallen gemessen wird.5 Separat zum Füllgut werden die Einflüsse der Behältnisse untersucht:

  • Tiegelinhalte werden zwangsläufig durch die manuelle Entnahme kontaminiert. Wenn es beim Wechsel der Umgebungstemperaturen zu Kondensationen unter dem Deckel kommt, wird im Kondensat die minimale Hemmkonzentration (MHK; englisch: MIC) von Konservierungsstoffen unterschritten. Typisch ist dann z. B. die Entstehung von Schimmel.
  • Plastiktuben haben die Eigenheit, nach der Entnahme kontaminierte, meist feuchte Außenluft anzusaugen. Auch hier kann es im Badbereich oberflächlich zur Unterschreitung der MHK kommen, die durch das Brechen einer Emulsion bei physikalischer Instabilität beschleunigt wird.
  • Das Behältermaterial kann je nach Beschaffenheit Konservierungsstoffe analog den Weichmachern aufnehmen. Die MHK wird dann nicht mehr erreicht.
  • Die mikrobiologisch sichersten Behältnisse sind Airless-Spender mit doppeltem Boden. Um Produktreste, die nach dem Gebrauch an den Ausflussöffnungen zurückbleiben, muss man sich meist keine Sorgen machen, da durch das Verdunsten von Wasser die Konzentration der konservierenden Stoffe ansteigt.

Die Mikroflora der Haut

Auf der Haut besteht eine Synergie zwischen Epidermis und Mikroflora. Bei Störungen kommt es zu Problemen:

  • Manche Keime der Mikroflora sind fakultativ pathogen. Das heißt, wenn die Hautbarriere geschädigt ist oder der Haushalt der hauteigenen antimikrobiellen Peptide (AMP)6 aus dem Gleichgewicht geraten ist, können Keime tiefer in die Haut eindringen und Infektionen auslösen.
  • Unter den Keimen gibt es Aerobier, die auf Luftsauerstoff angewiesen sind, und Anaerobier, die sich am besten unter Luftabschluss vermehren. Fettreiche Cremes begünstigen daher die Anaerobier; sie können sich bei nicht intakter Barriere und vorgeschädigtem Bindegewebe explosionsartig vermehren - eine typische Situation bei Rosacea.7
  • Oberflächlich feuchte Haut führt zu Quellungen und erhöhter Durchlässigkeit der Haut. Das macht es Pilzfäden leicht, die Barriere zu durchdringen. Auf diese Weise entstehen Pilzinfektionen nach dem Besuch in Badeanstalten.8
  • Schweißnasse Haut-auf-Haut-Kontakte unter den Achseln - gefördert durch Ausrasieren - begünstigen die schnelle Vermehrung von Bakterien. Es werden flüchtige, geruchsintensive Stoffwechselprodukte erzeugt.9 Gleiches gilt für stärkere Schweißabsonderung an den Füßen, insbesondere in Verbindung mit geschlossenem Schuhwerk.
  • Trockene Haut führt zu geringer Elastizität der Haut und ist ein Synonym für eine gestörte Barriere. Sie erleichtert das Eindringen von Keimen.
  • Übersteigerte Hygiene im vaginalen Bereich zerstört die natürliche, schützende Intimflora10 und ermöglicht Infektionen durch opportunistische Keime wie Candida albicans.

Fazit

Hautpflege mit oder ohne Konservierungsstoffe muss das Ziel verfolgen, die Hautbarriere intakt zu halten, Sensibilisierungen zu vermeiden und die lokale Mikroflora in ihrer natürlichen Zusammensetzung zu bewahren. Die Reaktionen der Mikroflora auf endogene und exogene Einflüsse zeigen, dass dabei mit großer Sorgfalt und individuell angepasst vorgegangen werden muss. Generell gilt: Weniger ist mehr. Der Einsatz von Konservierungsstoffen der KVO oder vergleichbaren Naturstoffen ist für die Produktstabilität akzeptabel, aber für die komplexen Zusammenhänge auf und in der Haut kontraproduktiv.
Produktkonzepte ohne Konservierungsstoffe der KVO sind produktionstechnisch durchweg kostenaufwendiger - ein Hauptgrund für ihren vergleichsweise geringen Marktanteil.
Darüber hinaus ist es schwierig, dem Verbraucher und zuweilen auch der kosmetischen Fachkraft zu vermitteln, dass jedes wasserhaltige Produkt konserviert ist, aber keine Konservierungsstoffe (KVO) enthalten muss. Umgekehrt wird zuweilen die Meinung vertreten, dass die Werbung "Ohne Konservierungsstoffe" diskriminierend sei, da ja zwangsläufig alle wässrigen Präparate konserviert sind. Dabei bleibt gerne der Hintergrund unerwähnt, dass Konservierungsstoffe (KVO) ohne Ausnahme ein allergenes Potenzial besitzen.

Referenzen

  1. Lautenschläger H, Unerwünschte Nebenwirkungen, Ästhetische Dermatologie (mdm) 2016 (7), 50-55
  2. Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (Neufassung)
  3. Lautenschläger H, Triclosan - teils verboten, weit verbreitet, Beauty Forum 2016 (5), 92-94
  4. Gloor M, Thoma K und Fluhr J, Dermatologische Externatherapie, Springer-Verlag, Berlin 2000, S. 146-147
  5. DIN EN ISO 11930:2012 "Kosmetische Mittel - Mikrobiologie - Bewertung des antimikrobiellen Schutzes eines kosmetischen Produktes"
  6. Lautenschläger H, Antimikrobielle Peptide, Kosmetik International 2016 (7), 28-31
  7. Lautenschläger H, Überpflegung - Einfach zu viel des Guten, Kosmetik International 2015 (3), 22-25
  8. Lautenschläger H, Die Barriere schützen - Hautpflege bei Pilzinfektionen, medical Beauty Forum 2013 (4), 48-50
  9. Lautenschläger H, Kosmetische Pflege bei starker Schweißbildung, Ästhetische Dermatologie (mdm) 2014 (7), 32-35
  10. Lautenschläger H, Die Facetten der Intimpflege - Weniger ist mehr, medical Beauty Forum 2014 (2), 35-37


Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
medical Beauty Forum
2017 (2), 12-16

 
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